Porträt
Die Zürcher Gras-Revolutionäre
Von: Jan Strobel
Cannabis: Seit Mitte August kann man in Zürich legal Cannabis kaufen. Die Nachricht löste einen wahren Hype aus. Wir besuchten die Produzenten des Produkts auf ihrer Hanffarm.
«Es ist unglaublich, fast hätten wir aufgeben müssen», sagt Markus Walther, den hier auf dem Hof in Ossingen alle «Mäcki» rufen. Sein Geschäftspartner Dario Tobler öffnet die Tür zum Gewächshaus und schiebt mit einem Lächeln nach: «Aber der Anruf aus Bern, er hat alles verändert.»
Dieser Anruf aus Bern war Anfang August vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) gekommen – und er bedeutete nichts weniger als einen Meilenstein im Umgang mit dem Cannabiskonsum. Denn die obersten Hüter der Gesundheitspolitik erteilten den beiden Hanfbauern und ihrer Firma Bio Can AG ganz offiziell die Erlaubnis, ihr Produkt C-Pure zu vermarkten, einen Tabakersatz aus THC-armen Cannabisblüten. Seither jagt bei Tobler und Walther ein Medientermin den nächsten. Bei der Lancierung des Produkts in Markus Walthers Hanfladen Biotop an der Konradstrasse im Kreis 5 gaben sich die Journalisten die Klinke in die Hand. Tobler posierte im Blitzlicht der Fotografen und rauchte dazu in Anzug und Krawatte genüsslich einen langen Joint. Die Schlagzeilen danach frohlockten: «Endlich ohne schlechtes Gewissen einen durchziehen», «Der erste staatlich legalisierte Joint», «Ab heute gibt es in Zürich legales Cannabis».
In der seit Jahrzehnten völlig verkorksten Debatte ums Kiffen erschien vielen diese Nachricht als die sehnlichst erwartete würzige Grasbrise in einer Gesellschaft, in der Marihuana längst in der Mitte angekommen ist. Eine Legalisierung von Cannabis findet heute selbst in tiefbürgerlichen Lagern Befürworter. Dennoch: «Die Reaktionen auf unser Produkt haben uns völlig überrascht, geradezu überrumpelt», sagt Mäcki Walter. Seine etwas erstaunliche Aussage widerspiegelt vielleicht auch, wie sehr die Cannabisdiskussion nach der 2008 an der Urne gescheiterten Hanfinitiative eingeschlafen war, der Konsument sich gewissermassen mit dem Kiffen als einem versteckten Genuss abgefunden hatte.
Wohlklingendes Gras
Die Nachbestellungen aus Stadtzürcher Hanfläden reissen jetzt jedenfalls nicht mehr ab. Selbst Tankstellenshops haben Interesse am grünen Tabakersatz aus Ossingen bekundet. Neben dem Gewächshaus sind Mitarbeiter der Firma daran, Päckchen à 10 Gramm abzufüllen und sie in Kartons zu packen.
Die Ossinger Cannabisrevolution hat einen wohlklingenden Namen: Fedora 14. So heisst die Grassorte, die jetzt ganz offiziell geraucht werden darf. Dieser gezüchtete Industrie-Rauchhanf hat einen THC-Gehalt von weniger als 0,3 Prozent. Die legale Obergrenze in der Schweiz liegt heute bei 0,99 Prozent. «Fedora», sagt Dario Tobler, «hat keine berauschende Wirkung. Zudem enthält es kein Nikotin und keine Zusatzstoffe.» Auf so einen Bio-Ersatztabak hätten Raucher schon lange gewartet. «Es trifft den Zeitgeist», ist er überzeugt.
Wir stehen jetzt mitten im Gewächshaus. Im schwülen Klima wachsen Tausende Hanfpflanzen in sattem Grün kräftig vor sich hin. Was hier blüht und gedeiht, ist allerdings bereits die Basis für ein neues Produkt, das bald auf den Markt kommen soll. «Diese Sorte nennen wir Fed Tonic», klärt Tobler auf. «Mit einem THC-Gehalt von 0,5 Prozent ist sie etwas stärker als Fedora. Vergleichen Sie es mit Kaffee. Jede Sorte hat ihren ganz eigenen Charakter.» Wieder steigt eine Duftwelle nach frischem Cannabis in die Nase, irgendwo zischt leise ein Wassersprenger, im Hintergrund ragt der Kirchturm von Ossingen in den Sommerhimmel.
Grossrazzien auf dem Hof
So idyllisch ging es an diesem Ort natürlich nicht immer zu. Während der letzten 20 Jahre wurde die Farm von mehreren Polizeirazzien heimgesucht. Besonders hart traf es Mäcki Walther und seine Genossenschaft im September 2000. Damals rückte eine Hundertschaft Beamter an, eskortiert von einem Helikopter, der über den Feldern kreiste. Walther galt als der grösste Hanfproduzent der Schweiz, die «Weltwoche» nannte ihn den «Zürcher Hanfmillionär».
Die Beamten beschlagnahmten 30 000 Cannabispflanzen, die Ernte wurde verhäckselt und auf einer Kompostanlage endgelagert, Mäcki Walther mit einem dreijährigen Berufsverbot belegt. Der juristische Prozess schleppte sich allerdings bis 2008 hin, auch, weil die Zürcher Justiz geschlampt hatte. Denn die Vernichtung des Pflanzenmaterials hätte nicht von einem Untersuchungsrichter der ermittelnden Bezirksanwaltschaft, sondern nur von einem unabhängigen Richter angeordnet werden dürfen. «Acht Jahre lang herrschte die absolute Ungewissheit», erinnert sich Walther. Das Verfahren wurde schliesslich eingestellt.
Aber jener Spätsommer 2000 markierte eine Zäsur. Noch in der zweiten Hälfte der 90er hatte es so ausgesehen, als ob sich der Cannabiskonsum auf dem besten Weg zur Legalisierung befinde. «Wir produzierten damals Duftsäckli, gefüllt mit Cannabis, die wir in unserem Zürcher Shop verkauften. Das war ein regelrechter Boom. Natürlich ging es den meisten Käufern nicht um das Säckli, sondern um den Inhalt», schmunzelt Walther. 1999 erschien schliesslich der Cannabisbericht der Eidgenössischen Kommission für Drogenfragen (EKDF). Darin kam das Expertengremium zum Schluss, dass eine Neubewertung von Cannabis erforderlich sei. Die Bestrafung von Konsum und Besitz sei aufzuheben, ein legaler Zugang zu Cannabis solle ermöglicht werden. «Doch dieser Aufbruch in der Politik wurde danach wieder jäh ausgebremst, auch wenn die Schweiz europaweit mittlerweile die höchste THC-Obergrenze festgelegt hat», sagt Dario Tobler. Als eines der progressivsten Länder im Umgang mit Cannabis nennt er Israel, das bei der Entwicklung von medizinischem Cannabis eine Vorreiterrolle spielt. Tatsächlich erhalten dort pro Jahr rund 25 000 Patienten die staatliche Erlaubnis, Marihuana zu rauchen – und das bereits seit zehn Jahren.
«Kiffer sehen sich heute längst nicht mehr als Drogenkonsumenten, als die sie auch heute noch immer wieder abgestempelt werden», sagt Tobler. «Cannabis ist ein Genussmittel, bei dem das Mass entscheidend ist, wie beim Alkohol.» Den legalen Cannabis-Tabakersatz C-Pure sieht er als einen ersten Schritt in eine entspanntere Zukunft.
Die Stadtpolizei Zürich wird Käufer des Produkts dennoch büssen, weil bei einer Kontrolle mit blossem Auge nicht erkennbar sei, wie hoch der THC-Gehalt ist. Das Cannabis wird weiterhin beschlagnahmt und analysiert. Sofern der THC-Gehalt tatsächlich unter einem Prozent liegt, wird das Gras zurückgegeben.
www.biocan.ch
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Leserkommentare
Andrea Hazan - Worauf ich warte: Dass cannabis sativa, bzw. ein vor allem Cannabidiol (CBD) enthaltende Produkte als Medizin erhältlich werden. Cannabis als "Kifferdroge" ist ja bekannt, dass sie v.a. bei jungen Erwachsenen eine psychotische Erkrankung mit Schizophreniesymptomen
mehr anzeigen ... auslösen kann. Man weiss, dass diese Wirkung hauptsächlich durch THC (Tetrahydrocannabinol) im Hanf ausgeübt wird, dem Halluzinogen - andererseits zeigt die Forschung, dass in Schizophreniepatienten die Anordnung und Dichte der Cannabisrezeptoren im Hirn CB1 und CB2 verändert ist im Vergleich mit Gesunden. Bisher hat sich die Therapie für Schizophrenie vor allem auf die Dopamin rezeptoren konzentriert. Jene sind in der Schizophrenie ebenfalls anders aktiv als bei Gesunden. Schon vor Jahrzehnte hat man (v.a. durch Studieren von Tieren, bei denen ein schizophrenieähnlicher Zustand z.B. durch Amphetamingabe erzeugt wurde), festgestellt, dass Medikamente, die die Dopaminrezeptoren hemmen, (Rezeptoren = Andockstellen an den Nervenzellen, die beeinflussen, wie Impulse von einem Nerven zum nächsten geleiten werden), dass diese Medikamente die Schizophreniesymptomen vermindern. (Also z.B. Halluzinationen, Störung des Denkens und ungefiltertes Überschwemmt werden von Reizen, Gefühlsstörungen und Bewegungsstörungen). Aber diese Medikamente haben mehrere starke unerwünschte Nebenwirkungen, was es den Erkrankten schwer macht, diese lange Zeit einzunehmen. Nun findet man, dass das CBD diese Symptome ebenfalls gut vermindert und zudem auch bei andern Leiden wie Angststörungen, Posttraumatischer Belastungstörung, bei Parkison, bei Multipler Sclerose, bei Nervenschmerzen, bei Übelkeit durch Chemotherapie bei Krebserkrankungen positive Wirkungen hat. Das CBD wirkt ind er Hanfpflanze der psychotischen Wirkung von THC entgegen. Wenn es ohne THC eingenommen wird, hat es eine neuroprotektive (die Nervenzellen im Hirn schützende) Wirkung und man könnte sage: Ermöglicht einen besseren Dialog der verschiedenen Hirnregionen untereinander. Meiner Erfahrung nach benützen auch Menschen mit AD(H)S oft als Selbstmedikation Cannabis und wissen meist recht gut, welche Art Cannabis sie für die hilfreiche Wirkung benötigen. Es wäre super, wenn auch hierzulande die medizinische Cannabisforschung gefördert wurde. Zur Referenz hier ein paar spannende Forschungsartikel. Die Zusammenfassung, der "abstract" ist mehr oder weniger auch für Laien gut verständlich.
Could cannabidiol be used as an alternative to antipsychotics?
Marc Fakhoury, Department of Neurosciences, Faculty of Medicine, Universite de Montreal, Montreal, Quebec H3C 3J7, Canada a r t i c l e i n f o Article history: Received 4 March 2016
a b s t r a c t
Schizophrenia is a mental disorder that affects close to 1% of the population. Individuals with this disorder often present signs such as hallucination, anxiety, reduced attention, and social withdrawal.
Although antipsychotic drugs remain the cornerstone of schizophrenia treatment, they are associated
with severe side effects. Recently, the endocannabinoid system (ECS) has emerged as a potential therapeutic target for pharmacotherapy that is involved in a wide range of disorders, including schizophrenia. Since its discovery, a lot of effort has been devoted to the study of compounds that can modulate its activity for therapeutic purposes. Among them, cannabidiol (CBD), a non-psychoactive component of cannabis, shows great promise for the treatment of psychosis, and is associated with fewer extrapyramidal side effects than conventional antipsychotic drugs. The overarching goal of this review is to provide current available knowledge on the role of the dopamine system and the ECS in schizophrenia, and to discuss key findings from animal studies and clinical trials investigating the antipsychotic potential of CBD. © 2016 Elsevier Ltd.
Neurotherapeutics. 2015 Oct;12(4):825-36 Cannabidiol as a Potential Treatment for Anxiety Cannabidiol as a Potential Treatment for Anxiety Disorders.
Helmuth W. Bauer - Ich möchte mich hier, bei der Firma BIO CAN AG, öffentlich für mein böses Verhalten gegenüber dem BioCan AG Team Entschuldigen. Wenn ich jetzt so den Bericht gelesen habe, schäme ich mich sehr, das ich so ein Theater machte. Sorry nochmals an das Ganze
mehr anzeigen ... (Bio Can AG) Team. Mit freundlichen grüße Helmuth W. Bauer P.S. Ihr seit Super, und kann euch nur weiterempfehlen helmuthw
Rene Eckert - Super toll ! Endlich sauberes Grass ! Toll währe wenn, es schon heute, 0.99 sorten geben würde. ^~^
Thomas Meili - Hat schon jemand Gras auf https://legalesgras.ch bestellt?